Universität Bielefeld - Sonderforschungsbereich 360
Situationen, Sprachspiele, und SCIPS -
Zur Modellierung semiotisch-kognitiver Informationsverarbeitungssysteme
Burghard Rieger
FB II: Lehrstuhl für Computerlinguistik - Universität Trier
E-mail: rieger@ldv.Uni-Trier.de
Zusammenfassung
Anders als in bisherigen Modellen des maschinellen Verstehens natürlicher
Sprache, die eine realistische Unterscheidung von kognitivem System
und seiner Umgebung schon voraussetzen, wird hier ein semiotischer
Ansatz vorgestellt, der von einem ökologischen Verständnis
informationsverarbeitender Systeme ausgeht. Die kritische Bewertung
wissensbasierter Modellbildungen in der Computerlinguistik und deren Verbindung
mit Konzepten wie Situation und Sprachspiel erlauben dabei
eine numerische Rekonstruktion und prozedurale Modellierung von Prozessen,
welche die Konstitution von Bedeutungen und die Interpretation von Sprachzeichen
auf einer Stufe simulieren, die der prädikativen oder propositionalen
Repräsentation ihrer Resultate (wie sie traditionellerweise in Syntax und
Semantik behandelt werden) vorausgehen. Die Emergenz semantischer
Strukturen als ein selbstorganisierender Prozeß wird dabei in SCIPS
anhand von Wortgebrauchs-Regularitäten in natürlichsprachlichen Texten
studiert, deren linear verkettende (syntagmatische) und deren selektiv
austauschende (paradigmatische) Restriktionen von textanalysierenden
Algorithmen ausgebeutet werden. Das System arbeitet mit einer zweistufigen
Abbildung verteilter Repräsentationen von (Mengen-)Systemen unscharfer (fuzzy)
linguistischer Einheiten, deren Zustände symbolische Funktionen annehmen und
(sehr einfachen) referenziellen KernPrädikaten (links,
rechts, vorn, hinten) mit modifizierenden Hedge-Prädikaten
(äußerts, sehr, ziemlich $\mid$ nah, weit) zugeordnet werden können,
ohne hierzu eine explizite Syntax oder Semantik zu benötigen.
Anke Weinberger, 1998-04-20