Universität Bielefeld - Sonderforschungsbereich 360

Ein linguistisches Merkmalsmodell für die Lexikalisierung von diskursgesteuerten Partikeln

Kerstin Fischer und Michaela Johanntokrax

Einleitung

Die Ziele der hier dokumentierten Arbeit bestehen in der systematischen Analyse der formalen, funktionalen und akustischen Eigenschaften diskurskonfigurierender Partikeln, sowie in der Erarbeitung eines Ansatzes zur Lexikologie von Einheiten der gesprochenen Sprache für ihre optimale Ausnutzung zur Unterstützung sprachverarbeitender Systeme.

Auf der Suche nach einer Analysemethode, die es ermöglicht, alle für ein sprachverstehendes System relevanten linguistischen und akustischen Informationen adäquat zu beschreiben, zeigte sich, daß weder im Bereich der linguistischen Forschung noch von der Seite der automatischen Spracherkennung Ansätze existieren, die für die Aufgabenstellung innerhalb des SFB übernommen werden konnten. Innerhalb der Linguistik besteht der Großteil der in den letzten Jahren veröffentlichten Literatur darin, den Stellenwert diskurskonfigurierender Partikeln in der Sprache zu klären, z.B. ihnen einen zeichentheoretischen Status und eigenen semantischen Gehalt zuzuweisen bzw. abzusprechen. Die Arbeiten sind entweder theoretisch oder praktisch orientiert, wobei letztere nahezu ausschließlich die Lehrbarkeit der Diskurspartikeln betreffen. Diese Forschungsrichtung zeichnet sich auch dadurch aus, daß in der Regel Methoden angewendet werden, die auf Introspektion und selbstkonstruierten Beispielsätzen beruhen. Diskurspartikeln, als Phänomene der spontan gesprochenen Sprache, entziehen sich allerdings häufig der eigenen Intuition. Auf der anderen Seite sind Partikeln Gegenstand der Disziplin der Diskursanalyse, die an ihrer Funktion in bezug auf 'Turn-taking' und 'Exchange Structure' interessiert sind. Hier gehen die Ergebnisse allerdings in der Regel nicht über eine Klassifikation nach den spezifischen Funktionen hinaus (z.B. Francis/Hunston 1992, Stenström 1994). Von der Seite der automatischen Sprachverarbeitung gibt es - bedingt durch die zunehmende Beschäftigung mit spontan gesprochener Sprache - zwar neuere Ansätze, Häsitationsphänomene im Rahmen der Detektion von Wortabbrüchen bzw. der Analyse von Pausen in die Analyse zu integrieren (vgl. u.a. Shriberg/Lickeley 1992, O'Shaughnessy 1993, Daly-Kelly 1995), Versuche zur systematischen Inkorporation diskurskonfigurierender Partikeln existieren hingegen z.Zt. nicht.

Es soll daher hier ein korpusbasiertes Merkmalsmodell von Diskurspartikeln entwickelt werden, das empirisch überprüfbar und auf die automatische Sprachverarbeitung ausgerichtet ist. Dabei soll sowohl eine funktions- als auch eine signalrelevante Beschreibung für Diskurspartikeln erstellt werden, die als Attribut-Wert-Matrix in einem computerlinguistischen Lexikon repräsentiert werden kann. Ziel ist eine Beschreibung, die die pragmatischen und akustischen Eigenschaften der Diskurspartikeln optimal auswertet, so daß die Ergebnisse Eingang in die automatische Sprachverarbeitung finden können.


Postscript-File (~137 k)
Anke Weinberger, 1996-09-04