Universität Bielefeld Technische Fakultät - AG Wissensbasierte Systeme

Kommunikation mit virtuellen Umgebungen

Ipke Wachsmuth

Technische Fakultät
Universität Bielefeld

ipke@techfak.uni-bielefeld.de

Mit 3D-computergrafischen "virtuellen Welten" erschließt sich in jüngster Zeit ein neuartiges Kommunikationsmedium, das eine Wechselwirkung des Menschen mit maschinell generierten Modellen in einem anschaulichen Datenraum erlauben soll. So wird in Bereichen des Designs und der Konstruktion die rechnergestützte Darstellung synthetischer Geometriedaten, die mit sog. Rendering-Verfahren in sichtbare Oberflächenstrukturen transformiert werden, zunehmend wichtig; Modelle realer Objekte und ihre Handhabung lassen sich so bereits vor dem Herstellungsprozeß realistisch darstellen und explorieren. Die synthetischen Darstellungen sollen dabei grundlegende Eigenschaften und Manipulationsmöglichkeiten besitzen, die der Mensch in Analogie zu den dargestellten realen Objekten intuitiv voraussetzt. Das kann aber nur gelingen, wenn das Bild des konstruierten Objektes keine für den Rechner sinnleere visuelle Präsentation ist, sondern in eine interne, sinnkonstruierende Repräsentation des dargestellten Objektes rückgekoppelt ist. Auf diese Weise wird es denkbar, die Veränderung von Formen oder des Arrangements von Szenenobjekten per Kommunikation vorzunehmen und durch echtzeitfähige Visualisierung gleichsam als reale Veränderung einer virtuellen Umgebung zu erfahren. Am Beispiel zweier Forschungsprojekte, die im KI-NRW-Schwerpunkt "Künstliche Intelligenz und Computergrafik" bzw. im SFB 360 "Situierte Künstliche Kommunikatoren" an der Universität Bielefeld durchgeführt werden, sollen diese Ideen näher erläutert werden.

Virtuelle Entwurfsumgebung. Im Projekt VIENA geht es um intelligente Kommunikation mit einer virtuellen Entwurfsumgebung mit dem Ziel der interaktiven (Um-)Gestaltung einer dargestellten Szene. Hierzu entwickeln wir spezialisierte Agentensysteme, die als "intelligente Mittler" in der Kommunikation mit einem komplexen Grafik-System auftreten und Benutzer von der expliziten Berücksichtigung technischer Details entlasten. Erprobt wird das VIENA-System - in einem Beispiel aus dem Innenraum-Design - an einem virtuellen Büroraum, dessen Einrichtungsgegenstände aufgrund verbaler vager Eingaben umarrangiert und farblich verändert werden können. Das System rekonstruiert im Effekt einige physikalische Gesetze, etwa um die gegenseitige Durchdringung massiver Objekte im virtuellen Raum zu verhindern; ferner kann es beispielsweise feststellen, ob ein zu bewegendes Objekt mit anderen verbunden ist, die ggfs. mitzubewegen sind. Durch Inspektion der systeminternen Grafik-Datenmodelle wird die aktuell sichtbare Szene als Informationsquelle herangezogen, um Kommunikationen des Benutzers auf die momentane Situation zu beziehen. Einbezogen werden ebenfalls kognitive Faktoren der Raumwahrnehmung und deiktische Formen der verbalen Kommunikation, um größtmögliche Annäherung an Formen der situationseingebetteten Informationsverarbeitung des Menschen zu erreichen; in Zukunft sollen auch gestische Interaktionen betrachtet werden.

Virtueller Konstrukteur. Als zweites Beispiel wird ein System vorgestellt, welches ein virtuelles Konstruieren mit Baukastensystemen ermöglicht. Im Projekt CODY entwickeln wir situierte Repräsentationen für Objekte, deren Konzeptualisierung dynamisch angepaßt wird, um der fortschreitenden Konstruktion mit sich ausprägenden Aggregat- und Funktionsstrukturen Rechnung zu tragen. Diese Arbeiten stehen im Zusammenhang mit dem SFB 360 und dienen im Fernziel der Entwicklung eines kommunikationsfähigen Montage-Roboters; als Beispiel dient die Konstruktion eines einfachen Flugzeugs aus einem Baukasten mit genormten Grundbauteilen. Im CODY-System wird eine einfache "virtuelle" Montagefläche benutzt, auf der die fotorealistisch dargestellten Bauteile zu komplexen Baugruppen assembliert werden können. Der menschliche Instrukteur kommuniziert dazu mit dem virtuellen Konstrukteur in einer gemeinsam zugänglichen (virtuellen) Weltsituation, die für beide -- durch Betrachtung bzw. durch Inspektion der Szenenbeschreibung -- jederzeit sichtbar ist. Das "interne Bild", das sich der künstliche Kommunikator von der entstehenden Konstruktion macht, wird in sog. Aktualkonzepten mitgeführt, die nicht nur dem Erscheinungsbild der involvierten Objekte, sondern auch Aspekten der Funktion von entstandenen Verbindungen Rechnung tragen und damit die Kommunikation jederzeit auf den aktuellen Konstruktionsstand beziehbar machen.

Vorträge: Duisburg 9-11-94, Osnabrück 22-11-94 und 14-06-96, Paderborn 16-05-95, Köln 26-10-95, Essen 31-10-95, Bielefeld 7-11-95, Bad Honnef 27-11-95, Koblenz 17-01-96


Ipke Wachsmuth, 1996-01-18