Universität Bielefeld Technische Fakultät - AG Wissensbasierte Systeme

KI-Techniken für intelligente Mensch-Maschine-Schnittstellen (Panel Statement)

Ipke Wachsmuth

Technische Fakultät
Universität Bielefeld

ipke@techfak.uni-bielefeld.de

In zahlreichen Bereichen stellt sich heute die Aufgabe, menschengerechte 'anthropomorphe' Mensch-Maschine-Schnittstellen für technische Systeme zur Verfügung zu stellen, die aus kontextbezogenen, selbst unscharfen Eingaben von Benutzern verwertbare Informationen beziehen können.

Rolle und Nutzen der KI für die Mensch-Maschine-Kommunikation sehe ich deshalb zuvorderst in der Realisierung von Kommunikationsfähigkeiten für technische Systeme. Es ist üblich geworden, auch im Zusammenhang der Informationsübertragung zwischen Mensch und maschinellen Systemen den Begriff 'Kommunikation' zu gebrauchen, was in dem Sinne gerechtfertigt ist, daß Bedeutungsinhalte durch Zeichenfolgen übermittelt werden, deren Bedeutung empfängerseitig zu rekonstruieren ist. Die Symbolverarbeitungsmöglichkeiten von KI-Systemen bilden das Potential, eine MMK auf der Basis von sprachlichen, gestischen, mimischen Zeichenübermittelungen zu realisieren. Hinzu kommen u.a. auch Techniken des maschinellen Lernens, beispielsweise zur Benutzeranpassung von Schnittstellen.

Der 'state of the art' in diesem Schnittgebiet ist mittlerweile deutlich über Kommandoschnittstellen und die allgegenwärtigen GUIs hinausgelangt. Die Leichtigkeit und Robustheit in der Kommunikation zwischen Menschen war Anlaß, auch in der Wechselwirkung mit maschinellen Systemen menschengerechtere Modalitäten anzustreben. Hier sind natürlichsprachliche Schnittstellen zu nennen, die sich beim Zugriff auf Datenbanken und bei der Steuerung komplexer technischer Systeme zu bewähren beginnen. In Ergänzung dazu finden in jüngerer Zeit Gesten und Zeichensprachen als Mittel der Informationsübermittlung an maschinelle Systeme starkes Interesse, bis hin zu mehrmodalen Schnittstellen. Zum sich entwickelnden 'state of the art' gehören ganz sicher auch intelligente Agenten und Multiagentensysteme. Es lassen sich heute bereits zahlreiche Beispiele dafür finden, wo sog. Interface-Agenten Mittler- und Assistenzaufgaben in der MMK übernehmen.

Grundsätzlich sind alle Anwendungsgebiete von besonderem Interesse, die sich informationstechnischer Hilfsmittel bedienen. Technische Systeme beruhen heute in immer größerem Maße auf Funktionen integrierter Rechnerleistung; damit vervielfacht sich das Angebot an Leistungsmerkmalen, zugleich aber auch die Bedienungskomplexität, was potentielle Nutzer durchaus überfordern kann. Je mehr Leistungsmerkmale eine Anwendung bietet, desto unzureichender sind die Möglichkeiten klassischer WIMP (Windows, Icons, Menues & Pointers)-Schnittstellen für den unkomplizierten Umgang mit der Technik. Als Herausforderung stellt sich deshalb die Schaffung intuitiver Schnittstellen, die robust und flexibel sind und Nutzer von technischen Details ihrer Hilfsmittel entlasten.

Die zukünftigen Fragestellungen des Schnittgebiets KI/MMK haben m.E. vordringlich mit der 'Anthropomorphisierung' von Schnittstellen, also der besseren Anpassung an den Menschen zu tun. Um es auf den Punkt zu bringen: Menschliches Kommunikationsverhalten ist nicht allein von Informationsübermittlung, Intentionen, Sprechakten etc. geprägt, sondern auch von äußerlichen Spezifika in der Nachrichtenübermittlung. So erhärten sich derzeit Forschungserkenntnisse in den Humandisziplinen, die zeigen, daß menschliche Kommunikation inhärent durch rhythmische Muster geprägt ist und daß solche Rhythmen, beispielsweise in der Koordination von Sprache und Gestik oder der der Synchronisation bidirektionaler Kommunikation (turn taking), hochsignifikant sind. In theoretischen und praktischen Ansätzen der Mensch-Maschine- Kommunikation haben derartige Erkenntnisse bislang so gut wie keinen Eingang gefunden. Hier ist die KI gefordert, erweiterte Techniken zu enwickeln, die auch das zeitliche Kommunikationsverhalten des Menschen besser berücksichtigen und damit zur Ergonomie von Schnittstellen beitragen.

Sicherlich werden intelligente Schnittstellen der Zukunft stark durch die Technik der Multimedia und Virtual Reality geprägt sein, unterstützt einerseits durch multimodale Eingabehilfsmittel, die den Gebrauch der natürlichen Ausdrucksformen des Menschen (direkter Zugriff mit den Händen, Sprache, Gestik, Mimik) erlauben und andererseits durch intelligente, personifizierte Helfer- Agenten, die über Wissen der Anwendung verfügen und teilautonom assistierende Funktion übernehmen. Andere Visionen gehen mehr in Richtung der direkten kybernetischen Kopplung des Menschen mit technischen Geräten, was sicher vom Wunsch der möglichst unmittelbaren Wechselwirkung und Kontrolle geprägt ist; es bleibt abzuwarten, welches Szenario hier stärkere Akzeptanz finden wird.

KI'97 Freiburg 10-09-97


Ipke Wachsmuth, 1997-09-19